Effnerplatz Turmskulptur
Dies ist nur eine Bezeichnung von vielen, aber wie heißt das Dinge denn nun: Strickliesl?, Eieruhr? oder ganz schlicht „Kunst am Bau“ als Bekrönung vom Richard-Strauß-Tunnel und ganz korrekt 0,5 % der Bausumme des selbigen kostend?
Oder aber, wie auch die Künstlerin Rita Mc Bride sie schließlich bezeichnete: Mae West? Bleiben wir vorerst bei diesem Rufnamen. Extrem reizvoll wäre eine Kurvendiskussion über diese illustre Dame, die als amerikanische Schauspielerin mit ihrem Talent und mehr noch mit ihrer äußeren Erscheinung und ihrem losen Mundwerk Furore machte. Aber, da im Kreise meiner Kunstfreunde die Weiblichkeit vorherrscht wähle ich lieber folgendes Zitat dieser klugen Frau und lasse diese Kurven:
„Women like a man with a past, but they prefer a man with a present.“ (Mae West)
Doch was ist diese Architektur-Skulptur denn wirklich?
Nur eine Art Tunnel für die Trambahn über dem Straßentunnel? Städtebauliches Gegengewicht zur Skyline des Arabellaparks?
Benennen wir das Material und die Eckdaten der Skultptur:
Carbonfaserverstärkter Kunststoff CFK, Stahlkern bis 15,5, m Höhe, Stahlringe auf 15,5 und 52 m Höhe.
Höhe insgesamt: 52 m
Durchmesser unten: 32m
Anzahl der Stäbe: 32
Durchmesser eines Stabs: 275 mm unten, 225 mm oben.
Kosten: 1,54 Mio
Realisiert hat diese Skulptur: „Die Arbeitsgemeinschaft Kunstwerk Mae West am Effnerplatz in München“ Prof. Rita McBride und CGB Carbon Großbauteile GmbH.
Es gab einen Wettbewerb, ausgelobt von dem Münchner Kunst am Bau Programm QUIVID mit der Budgetvorgabe (0,4% der Baukosten).
Die Standortwahl der Komission für Kunst am Bau im öffentlichen Raum fiel auf den Effnerplatz, der eine Schnittstelle darstellt zwichen Hochhäusern, Wohnbebauung und Englischem Garten.
2002 wurden acht Künstler (u.a. Thomas Schütte, Dennis Oppenheim) gebeten, gute Ideen für diesen Ort zu entwickeln. Die amerikanische Künstlerin Rita McBride setzte sich mit ihrem Entwurf durch. Sie lehrt seit 2003 Bildhauerei an der Düsseldorfer Kunstakademie, seit 2013 ist sie Rektorin. Der Münchner Stadtrat fremdelte zunächst noch mit dem Entwurf, 2004 wurde nachgebessert, der Oberbürgermeister, damals Herr Ude, meinte Blumenständer gäbe es billiger im Baumarkt usw.
Die damals noch als „Tower“ betitelte Skulptur wurde dennoch im Stadtrat mit 35 zu 40 Stimmen abgesegnet, am 10.10.2007. Ein Jahr später waren auch die übrigen Genehmigungen erteilt, u.a. wegen der innovativen Technik war die Zustimmung der Obersten Baubehörde erforderlich. Ich erspare Ihnen eine ausführliche Schilderungen der sehr kontrovers geführten Planungsdiskussion. Rita McBride hatte zu diesem Zeitpunkt der Skulptur selbst schon den Spitznamen Mae West gegeben, wohl um den Münchnern mit dem Namen der Schauspielerin, der Allussion an eine kurvenreiche stark taillierte schöne Frau Gusto auf die Skulptur zu machen.
Die Grundidee der Turmskulptur ist ein Rotationshyperboloid. Der Große Brockhaus erläutert Hyperboloid als eine Fläche zweiter Ordnung, die durch Ebenen in Hyperbeln, Ellipsen, Parabeln geschnitten wird. Und dies eben als Rotationsobjekt. Alles klar, dämmert die Geometrie der Oberstufe?
Oder dann doch mit McBrides Worten: „Die gewählte Gitterstruktur ist Ausdruck des Bemühens einen Raum nicht monumental zu besetzen, sondern ein Nichts zu umschließen“.
Dazu gehörte auch, dass sie keine nächtliche Beleuchtung der Plastik vorsah und immer ablehnte. Obwohl immer wieder mit Plagiatvorwürfen bedacht, ist diese Arbeit ein hervorragendes Produkt des 3. Jahrtausend. Die Stäbe bestehen bis zum ersten Ringträger aus Stahlrohren, die mit carbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK) ummantelt sind. Oberhalb des Ringes sind die Rohre vollständig aus CFK. Die Stäbe verjüngen sich von unten nach oben. Das Material kombiniert Leichtigkeit mit Stabilität und Dauerhaftigkeit. Es stammt aus dem Bootbau. Die einzelnen Rohre sind 40 m lang bei 550 kg Gewicht. Die Konstrktion wurde vor Ort montiert und war fertig am: 31.01.2011
Happy Birthday!
Die Münchner haben sich an die Strickliesl gewöhnt, haben sie schätzen und lieben gelernt. Sogar beheizt kann sie nun werden, denn eine eingefrorene Schöne ist nicht mehr ganz so sexy. Sie ist schön von weit, sie fasziniert von nah und verblüfft, wenn man direkt unter ihr steht und senkrecht nach oben blickt. Aber Achtung Tram!
Und was soll das denn nun für die grantelnden Münchner bedeuten? Außer teuer?
Die Drehbewegung des Rotationyhyperboloids bezieht sich auf den kreisrunden Effnerpatz und auf den Mittleren Ring (bingo).
Die filigrane Struktur des Gitters läßt die Skulptur trotz ihrer Hohe nicht monumental erscheinen.
Durchlässigkeit, Offenheit, liebe Münchner, auch als Symbol des Münchner Prinzip des Leben und Lebenlassens.
Mit Eleganz wird hier ein Verkehrsknotenpunkt bekrönt, unten rauscht der Durchgangsverkehr, durch die Skulptur die Tram und darüber wölkt sich der Münchner Himmel. Es ist ein Monument, das die Mobilität bekrönt – in Zeichen von Ausgangssperre und Reiseverboten ein ganz besonderes Denkmal.
Zudem denken Sie an das Wesen der Hyperbel: Sie bezeichnet eine Fläche, deren Anfangs-/Endpunkte in der Unendlichkeit liegen…
Viel Freude bei Trambahnfahren unten durch!